Ich selber habe mich bisher wenig mit ETF beschäftigt, da ich wirklich breit gestreut in Einzelaktien investiere. Dennoch habe ich mir überlegt, wie ich mein Portfolio irgendwie noch mit ETFs aufputschen oder auch absichern kann. Gleichzeitig habe ich einige Kunden in meinen Coachings, die ausschließlich auf ETFs setzen wollen, da die Zeit für das aktive Investieren einfach nicht aufgebracht werden kann. Deswegen habe ich mich auch in der Tiefe und einigen Literaturwerken mit ETFs beschäftigt, und wie man richtig damit umgeht.
MSCI World und gut ist?
Vielleicht. Das ist eine Strategie, die auf jeden Fall sehr aufwandsarm wäre – dennoch wird es vielleicht nicht dem gerecht, was man eigentlich will – weltweit breit gestreut investieren. Natürlich sind die (auf min. 20 Jahre) 8% pro Jahr hiermit nicht unmöglich, zumindest, wenn man die Historie betrachtet. Doch ist nun gerade der Amerikanische Markt die letzten Jahre gut gelaufen. – In Hinblick auf das Wachstum Chinas könnten die USA irgendwann als größte Wirtschaftsmacht abgelöst werden. Ist dann eine Gewichtung von aktuell ca. 66% USA so gesund? Auch die Tatsache, dass die 5 größten Firmen mit mehr als 1% gewichtet sind, zeigt, dass man hier schon abhängig von den Schwergewichten und dessen fortbestand ist. Außerdem ist ein KGV von aktuell ca. 26 in meinen Augen alles andere als “Bodenständig” hier sind schon viele Werte drin, die sehr heiß gelaufen sind und in die viel Wachstum eingepreist ist. Gerade in der aktuellen Marktlage, in der ggf. eine Sektorrotation stattfindet: Tech und viele Hype-Aktien kriegen einen kleinen Dämpfer, während Konsumgüter-, Value- und Qualitätsaktien wieder im Kommen sind und abgesehen davon ihre stabile Rendite einfach weiter zahlen. Ich kann natürlich auch nicht in die Zukunft sehen, doch ein wenig hat diese Rotation schon begonnen – ich bin jedenfalls der Meinung, dass dies ein realistisches Szenario ist.
Ich befürchte also hier, dass ein Großteil der im MSCI World sehr stark gewichteten Aktien in den nächsten Jahren einen Dämpfer bekommen könnten und dann seitwärts laufen, während wir den Anstieg einiger aktuell “günstig” bewerteter Firmen verpassen, weil diese im MSCI World nur sehr niedrig gewichtet sind und damit nur wenig auf den Gesamtindex einwirken.
Aber ich investiere doch in ETF um nicht nachdenken zu müssen!!!
Ja, dann kauf dir doch deinen MSCI World – aber halte es aus, wenn du einen Dämpfer bekommst. Ich sehe diesen einfach nicht als breit genug streut an. Natürlich, ich kann mich auch irren, und es geht hier so weiter wie bisher, doch halte ich alternativen für sinnvoll.
Auch wenn du nur in ETFs investieren möchtest – es geht hier immerhin um dein (nach der Gesundheit) wichtigstes Gut: dein Geld! Davon irgendwas zu kaufen ohne nachzudenken ist dann keine gute Idee. Bevor du dir eine neue Waschmaschine kaufst, oder ein neues 5.1 System für dein Wohnzimmer, kaufst du auch nicht einfach irgendwas, weil es grade da steht – du wälzt auch einige Testberichte und hörst bei der Anlage auch mal Probe, bevor du etwas kaufst. (Ich hoffe zumindest, dass du das tust…)
Dabei gibt es im Netz auch einige tolle Tools, mit denen du dir ETFs genauer ansehen und vergleichen kannst. Der Aufwand dazu muss auch nicht so furchtbar groß sein, und es reicht, wenn du dich einmal im Jahr ein paar Stunden damit beschäftigst – das sollte dir dein Geld wert sein.
Ja dann sag mir doch einfach was ich kaufen soll!
Nö. Das ist eine individuelle Entscheidung die wir im Coaching gemeinsam erarbeiten. Jeder hat seine Vorlieben und seine Strategie. Auch wenn du jetzt denkst: Ich habe gar keine Strategie! – Doch, hast du, tief in dir drin. Es sind dinge wie die Volatilität, die du ertragen kannst. Ein Drawdown, den du ertragen kannst. Länder, Kontinente, Märkte oder Branchen die du spannend findest. Ideen und Meinungen von dir, wie sich gewisse Branchen in der Zukunft entwickeln könnten, von deren Entwicklung du profitieren möchtest. Das sind Prozesse, die können wir nicht in einem einfach Blog Beitrag erörtern. Du kannst dir aber selbst schon Gedanken machen und recherchieren, welche Märkte, Indexe, ETFs für dich in Frage kommen könnten. Was sind deine Ziele? Wie lang ist dein Anlagehorizont und willst du dein Investment gegen gewisse Risiken absichern?
Ausschüttend oder Thesaurierend?
Wenn man den richtigen ETF oder die richtigen ETFs für sich gefunden hat, hat man oft die Wahl zwischen einem ausschüttendem (dist.) und thesaurierenden (acc.) ETF. Es hat sich in vielen Köpfen festgesetzt, dass gerade für langfristiges Sparen ein thesaurierender ETF sinnvoller wäre, um die Steuern zu sparen. Hintergrund ist dabei der Zinseszins Effekt – Wenn dein Gewinn jetzt schon mit 25% besteuert wird, fehlen dir diese 25% um in den Folgejahren davon Rendite zu erzielen. Natürlich muss der Gesamtbetrag am Ende/beim Verkauf versteuert werden, doch würde man in den Jahren der Laufzeit insgesamt eine höhere Rendite erzielen. Dieser Vorteil wurde durch ein Steuergesetzt im Jahr 2018 unterbunden. So muss der Fondsanbieter hierbei einen gewissen Betrag abführen, um genau diesen Effekt/Vorteil der thesaurierenden ETFs zu verringern. Der Unterschied ist dabei also nun sehr gering. Andersherum hast du einen Freibetrag von 801€ pro Jahr, der nicht versteuert werden muss. Somit verschlechterst du dich mit einem ausschüttenden ETF nicht. Vor allem wenn du vor hast später mal ein passives Einkommen zu haben, macht es mehr sinn, in ausschüttende ETFs zu investieren. Das hat den Vorteil, dass du keine Anteile verkaufen musst, um Geld zu erhalten. Das Einkommen kommt, ohne dass dein Vermögen sinkt. Außerdem ist es auch in den ersten Jahren der Geldanlage einfach ein tolles Gefühl, mal grüne Zahlen auf dem Kontoauszug zu sehen. Auch als ich angefangen habe und die Dividende nur ein paar Cent oder einstellige Eurobeträge waren – es war ein tolles Gefühl – und es wächst! Da wird das Gefühl mit der Zeit immer besser.
Wie ich es machen würde…
Wenn ich ausschließlich auf ETFs bauen würde, hätte ich eine Idee wie ich es umsetzen würde. Zunächst würde ich natürlich 50% in einen Welt-ETF stecken. Dies wäre in meinem Fall allerdings nicht der MSCI World, sondern der ein ETF auf den FTSE All-World Index. Hier gefällt mir die Ländergewichtung und Diversifikation einfach besser. Ich wähle hier den distributing/ausschüttenden ETF. Ich Gewichte ihn allerdings trotzdem nur mit 50%, da ich weitere “Ideen” für mein Geld habe. Zwar generiert der ausschüttende All-World ETF auch wiederkehrende Einnahmen auf mein Konto, ohne dass ich dafür Produkte verkaufen muss, doch möchte ich irgendwann von diesem passiven Einkommen leben können. Dazu müsste bei knapp 1,5% Dividendenrendite mein Vermögen allerdings schon relativ groß sein. Daher möchte ich mir noch weitere Positionen in meinem ETF-Portfolio dazu holen. Zu 12,5% würde ich den Vanguard Value ETF (VTV) besparen. Dieser gefällt mir gerade in der aktuellen Marktsituation sehr gut, sodass ich hier gern eine Position aufbauen möchte. Hier sind oft versteckte oder offene Werte und wenig Schulden, sodass das Risiko in meinen Augen etwas geringer ist. – Ich sehe es als Anker Investition. Auch wenn es sich dabei um einen thesaurierenden ETF handelt, passt er in mein Konzept.
Weiterhin würde ich nun versuchen mit weiteren 12,5% ein wenig mehr von den Schwellenländern sowie kommenden Schwellenländern zu profitieren. Dafür würde ich auf den iShares MSCI Frontier and Select EM ETF setzen. Dieser deckt mein Investmentvorhaben gut ab und berücksichtigt vor allem Länder, die viele noch nicht auf dem Schirm haben. Diesen Länder (Kuwait, Vietnam, Nigeria, Kenia) könnte noch eine wirtschaftliche Revolution bevorstehen. Natürlich ist das mit hohem Risiko verbunden, doch möchte ich hiermit eine große Chance abdecken, die sich durch den Aufstieg einiger dieser Länder ergibt.
Die verbleibenden 25% gehen bei mir in den iShares MSCI World Quality Dividend. Dieser ist ein ETF der Wert auf Value und Qualität legt, aber auch auf eine möglichst hohe Dividenden Ausschüttung. So ist er mit einer Ausschüttungsrendite die sich zwischen 2,5% und 3% bewegt geeignet um ein passives Einkommen aufzubauen. Das ist auch genau der Grund, weshalb meine Wahl auf diesen fällt.
Kosten/TER
Die Kosten bzw. TER sollten natürlich auch beachtet werden. Hier kann ich nur nochmal den Vorteil von Indexfonds gegenüber von aktiv gemanagten Fonds hinweisen. Natürlich gibt es auch börsengehandelte Fonds, die extreme Ausgabeaufschläge und Haltegebühren verlangen. Darauf würde ich verzichten. Ich halte es für angemessen, wenn die Haltekosten unter 0,5% liegen. Natürlich, je günstiger desto besser. Doch fällt es bei diesen geringen Kostenanteilen nicht mehr so ins Gewicht.
Fazit
Auch ein ETF-Portfolio ist sehr individuell. Es gibt kein “perfektes Konzept”. Es ist immer abhängig von den persönlichen Zielen und Vorlieben. Ich habe in diesem Beitrag auch sehr stark meine persönliche Meinung einfließen lassen – lasse dich davon nicht beirren. Treffe deine eigene Entscheidung, vergleiche verschiedene ETFs. Vor allem: Einmal pro Jahr solltest du dir dein Portfolio und deine Sparpläne ansehen, und schauen ob es noch zu deinen Zielen und Wünschen passt. Das soll nicht heißen, dass du Verkaufen sollst, weil es mal ein schlechtes Jahr war. Schlechte Jahre können auch mehrfach in folge auftreten. Wenn du weiterhin von deinem Investment überzeugt bist und sich fundamental nichts geändert hat, bleibe dem treu. Nutze lieber die “Crashs” um die Position zu vergrößern und den Einstandskurs zu verringern.